Johannes Listewnik: Hard Days, Night
Hard days, night.
Skizzen auf Kalenderblättern und in Notizbüchern. Sie werden digitalisiert, mit verschiedenen Druckverfahren vergrößert und auf Leinwände übertragen. Scannen, Vergrößern, Nachbearbeiten sind analytische Vorgänge. Immer wieder legen sich Epoxid- und Acrylschichten über Kopien. Teile werden dazugenäht, weggenommen, ausgeschnitten. Die collagierten und mit Epoxidharz überzogene Erinnerungslagen transferieren das digitale Quellmaterial ins Objekthafte. Es folgen kurze malerische Gesten, die auf der digital reproduzierten Fläche eher als Störungen und Unsicherheitsmomente in Erscheinung treten, oft ergänzt um Tagebucheinträge und lyrische Versatzstücke. Sprache und Typografie kehren als Texte in die Bilder zurück, aus deren grafischen Elementen sie zuvor entfernt wurden.
Johannes Listewnik bearbeitet die für das heutige Subjekt typische Unschärfe im Feld der Kunst mit deren eigenen Mitteln. Zugleich Handelsware, sind die Bilder selbst Medium der Auseinandersetzung: Was ist ein gutes Bild? Welche Rolle spielt handwerkliches Können? Und wenn es Arbeit ist, darf es Spaß machen? Handwerk ist oft assoziiert mit Arbeit, auch im marxistischen Sinne in die Ware geflossene Zeit, die Wert erzeugt. Macht man eine „gute Arbeit“, lässt sich das durch die Anerkennung der Kolleg:innen ausdrücken, lässt sich das aber auch in Geld ausdrücken. Mit den Verinnerlichungen außengesteuerter Kräfte beschäftigt sich Listewnik daher, wenn er sowohl in Technik als auch Sujet mit den Erwartungshaltungen auf dem Kunstmarkt spielt.
Die Vergleichsfarbkarten, die in den großformatigen, tapetenhaften Hintergründen sichtbar bleiben, fügen der Irritation zwischen Malerei und digitaler Reproduktion einen weiteren analytischen Aspekt hinzu: Auch die Arbeit im Digitalen ist ein handwerklicher Prozess. Das alternative Referenzsystem der Farbkarten setzt sich in den Signaturen der Bilder fort. Sie erhalten eine Zahlencodierung, in denen der biografische Moment des Tagebuches eng an emotionale Zustände geknüpft wird, ohne auf konkrete Daten zu referieren. Das Subjektive gewinnt gegenüber objektivierbarer Fakten an Bedeutung: die Jahreszeit, der Tag, das Lebensalter – Indexe wie Aktenvermerke. Sie lassen in ihrer Bezugnahme auf das Alter eine individuelle Reifung vermuten, zumindest eine Differenz, die die Voraussetzung dafür ist, die biografische Markierung mit jeweils spezifischen Eigenschaften zu identifizieren. Nur so kann die Signatur eine Orientierung erlauben.
Johannes Listewniks erste Einzelausstellung in der Galerie Philipp Anders erscheint so als Zustandsarchiv, wie es sich aus Tage- und Skizzenbüchern speist, als Reflexion über die eigene Rolle im Kunstbetrieb und als Versuch, die Auseinandersetzung mit der Gegenwart aus dem Ephemeren in ein Werk zu übertragen. Die popkulturellen Referenzen ergeben sich dabei aus der HipHop-Kultur und Graffiti, aber auch aus kanonischen Songs wie „A Hard Day’s Night“ der Beatles oder zeitgenössischen Bildproduktionen. Es gibt diese harten Tage, ein bisschen Buckeln. Viele dieser Bilder drehen sich um Arbeit, Reflexion und Sehnsucht. Einerseits ein Ateliermythos: das Ringen mit den Bildern, das aber nur ironisch gebrochen möglich ist. Und andererseits gibt es dieses schöne Gefühl eines langen Tages: Man macht die Nachttischlampe aus und es ist gut.
(Marcel Raabe)
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